Das sechsstöckige Bürgerzentrum im US-Bundesstaat Arkansas verfügt über außen angebaute Fahrradrampen, über die man alle Stockwerke direkt mit dem Fahrrad erreichen kann.
Es ist kein Geheimnis, dass Radfahren immer beliebter wird. Einige Expert:innen bezeichnen 2020 als das Jahr des „großen Fahrradbooms“, weil in dem Jahr so viele Menschen wie nie zuvor ihre alten Fahrräder herausgeholt und sich wieder in den Sattel geschwungen haben. Nun kehrt die Welt allmählich zur Normalität zurück, aber die Gewohnheit bleibt bestehen: Immer mehr US-Amerikaner:innen tun es ihren europäischen Mitmenschen gleich und nutzen ihr Fahrrad als alltägliches Fortbewegungsmittel.
Der Zeitpunkt für den Bau des weltweit ersten mit dem Fahrrad befahrbaren Gebäudes, Ledger, ein Bürgerzentrum in Bentonville im US-Bundesstaat Arkansas, hätte also nicht besser gewählt werden können. Mary Best, Direktorin für Betrieb und Arbeitsplatzerfahrung des Gebäudes, bringt ihre Begeisterung über dieses einzigartige Bauwerk zum Ausdruck. Sie berichtet von den Herausforderungen beim Bau eines fahrradfreundlichen Gebäudes einerseits und der Gestaltung einer aktiveren Mischung aus Arbeit und Freizeit für die Bürger:innen andererseits.
Best erzählt, dass die Entscheidung für ein mit dem Fahrrad befahrbaren Gebäude von der Stadtkultur Bentonvilles inspiriert wurde.
„Fahrräder sind in Bentonville sehr beliebt“, erklärt sie. „Wir sind eine Fahrradstadt und unser Ziel ist es, über mehr als 1.000 Meilen [1.500 Kilometer] zusammenhängende Radwege zu verfügen. Die wunderschönen Ozark Mountains liegen in unmittelbarer Nähe der Stadt und wir wollten ein Gebäude entwerfen, das unseren Anspruch deutlich macht, Bentonville zum besten Ort für Arbeit, Leben und Freizeit zu machen.
“Die Fahrradkultur ist ein so wichtiger Bestandteil des Lebens in Bentonville, dass dem Ledger-Team klar war, dass auch das neue Gebäude dies widerspiegeln müsse, so Best. „Uns kam der Gedanke, dass wir das Gebäude nicht einfach nur fahrradfreundlich bauen sollten, sondern auch so, dass es Fahrradfahrer anzieht“, berichtet sie.
Best erzählt, das Ziel beim Bau des Ledger sei die Gestaltung eines Gebäudes gewesen, das sich wie eine natürliche Erweiterung der Gemeinschaft anfühlen sollte. „Unser Architekt Michel Rojkind hat dieses Konzept der Verspieltheit in einem Gebäude umgesetzt, das auf Arbeit ausgerichtet ist“, erinnert sie sich. „Wir sind eine der Hauptstädte des Mountainbikings weltweit und wollten deshalb mit dem Gebäude spielen. Wenn man die Serpentinen des Gebäudes hochfährt, kann man einen Blick ins Innere werfen und die Arbeit sehen, die dort erledigt wird. Man kann den ganzen Tag diesen Übergang zwischen Arbeit und Freizeit beobachten.“ Und so war die Idee eines mit dem Fahrrad befahrbaren Gebäudes geboren.
Mit dem Voranschreiten der Planung von der Idee bis zur konkreten Ausarbeitung konzentrierte sich das Team darauf, hochwertige Ästhetik mit zielorientierter Funktionalität zu verbinden, die das Ledger später zu einer wahren Freude für die Gebäudenutzer:innen machen sollte, erzählt Best.
„Wir werden viele Leute auf Fahrrädern haben“, konstatiert sie. „Toll, aber was genau bedeutet das? Rampen sind schließlich nicht schwer zu bauen. Aber Rampen, die gleichzeitig Dächer sein sollen, die breit genug für Fahrräder und Menschen sind und die dann auch noch Raum für Ausgangsbereiche bieten – das wird kompliziert. Oh, und übrigens, wir haben hier auch Schnee. Und ein bisschen Kunst in die Radwege integrieren, wäre auch schön. Wir haben auf der gesamten Rampe bis zum Dach des Gebäudes mehr als 150 von Hand gelegte Mosaike eingebaut, weil die Fahrradrampen eine Verlängerung des öffentlichen Bürgersteigs sind. Und wir wollten, dass es auf dem Weg etwas Tolles zu sehen gibt."
Best berichtet von erheblichen logistischen Herausforderungen, mit denen das Team beim Entwurf und der Umsetzung der Fahrradrampen konfrontiert war. „Die Durchführung der Berechnungen und das Testen des Betons haben unendlich lange gedauert, vor allem weil wir nicht nur eine, sondern drei Schichten Beton benutzt haben“, erzählt sie.
„Für oben hatten wir eine einzelne architektonische Schicht vorgesehen, aber dann mussten wir noch eine zusätzliche Schicht zum Abdichten einfügen. Und wenn man eine Rampe baut, gibt es immer wieder undichte Stellen, also haben wir ein Gerät und ein Verkabelungssystem installiert, womit wir undichte Stellen auf einen Radius von 2 Fuß [60 Zentimeter] eingrenzen können, damit wir den ganzen Beton nicht wieder aufreißen müssen.“
Sobald die Fahrradfahrer:innen an ihrem Ziel angekommen sind, können sie die vielen weiteren Annehmlichkeiten nutzen, die das Gebäude zu bieten hat, wie z. B. einen Reparaturservice für Reifen und Fahrradwartung vor Ort, falls man mal eine Panne hat.
„Wir haben jede Menge Fahrradstellplätze“, erklärt Best. „Jedes Stockwerk hat mindestens einen Fahrradständer draußen, sodass wir ein noch öffentlicheres Erlebnis bieten können. Zusätzlich haben wir einen Abstellraum mit mehr als 1.000 Quadratfuß [90 Quadratmetern] gebaut, mit Ständern zum Aufhängen und Hineinrollen sowie Ladegeräten für Elektrofahrräder.“
Auch für die Fahrer:innen sind Annehmlichkeiten vorhanden. „Wir haben auch Schließfächer, Umkleidekabinen und Duschen“, unterstreicht Best. „Wir stellen Ihnen Handtücher und Schließfächer zur Verfügung, denn wenn Sie Fahrrad fahren möchten, müssen wir für das richtige Umfeld sorgen.“
Neben der Befahrbarkeit hat das Ledger noch viele weitere Dinge zu bieten. Auf sechs Stockwerken hat das Team eine Vielzahl von Bereichen mit gemischter Nutzung gestaltet, die das Gebäude nicht nur für Fahrradfans zu einem lebendigen Treffpunkt machen sollen.
Das erste Stockwerk verfügt über buchbare Tagungsräume, Verkaufsflächen und sogar eine Drive-in-Filiale eines beliebten lokalen Cafés, in der man sich auf dem Weg die Rampen hoch noch schnell einen Latte Macchiato mitnehmen kann. Das zweite und dritte Stockwerk besteht überwiegend aus Gemeinschaftsbereichen, in denen Mitglieder und deren Freund:innen sich vernetzen und zusammenarbeiten können, während das vierte Stockwerk für einen einzelnen Mieter reserviert ist. Im obersten Stockwerk befindet sich ein Bereich für öffentliche Veranstaltungen, darunter eine Bar mit herrlichem Blick auf Bentonville und die umliegenden Ozark Mountains.
Best hofft, dass sich das Gebäude mit seinem Fokus auf der Befahrbarkeit mit Fahrrädern zu einem wesentlichen Bestandteil der Gemeinde von Bentonville entwickelt und als Modell für ein kreativeres Arbeitsumfeld künftige Neubauten inspiriert.
„Das ist das erste mit dem Fahrrad befahrbare Gebäude, aber ich hoffe, es wird nicht das letzte sein“, sagt sie. „Ich bin wirklich davon überzeugt: Je mehr wir darüber nachdenken, wie wir die Menschen zu mehr Bewegung anhalten können, und je mehr neue Büros, Arbeitsplätze und Gebäude mit gemischter Nutzung wir entwerfen, in denen sich die Menschen willkommen fühlen, desto besser für uns alle. Damit vermeiden wir nämlich den ganzen ungenutzten Raum während der Nichtarbeitszeiten. Und das ist genau das, was wir mit diesem Projekt versuchen. Wir könnten natürlich auch einfach einen Bürokasten bauen und die Sache wäre erledigt, aber wir wollten einfach noch viel mehr erreichen. Deshalb ist unser Motto: Hier arbeiten, hier Fahrrad fahren, hier zusammenkommen.“