Nun, da die Pandemie abklingt, wollen Unternehmen ihre Angestellten wieder vor Ort sehen. Das Anliegen stößt allerdings auf Widerstand, sodass Architekt:innen nach neuen Wegen suchen müssen, Büroflächen attraktiver zu machen.
Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeitswelt für immer verändert. Seit März 2020, als die meisten Arbeitskräfte im Rahmen der Eindämmungsmaßnahmen auf unbestimmte Zeit nach Hause geschickt wurden, bis zu den aktuellen (weniger erfolgreichen) Versuchen vieler Unternehmen, ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro zu locken, hat sich die Einstellung zum Arbeiten in gemeinschaftlich genutzten Büros dramatisch verändert.
Einfach ausgedrückt: Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass viele Menschen nie gerne im Büro waren und viel produktiver sind, wenn sie von Zuhause aus arbeiten.
Offensichtlich ziehen es einige Arbeitskräfte vor, ausschließlich aus dem Homeoffice zu arbeiten, während andere die Rückkehr ins Büro kaum erwarten können, weil sie sich entweder nach persönlichem Austausch sehnen oder die Arbeit von Zuhause aus als schwierig empfanden. Wieder andere bevorzugen eine Mischung aus Remote- und Büroarbeit, die so genannte Hybridarbeit.
Jetzt, da Unternehmen ihre Angestellten nach Abklingen der Pandemie wieder in ihre Büros locken wollen, versuchen viele, ihre Räumlichkeiten effektiver und attraktiver zu gestalten. Aus diesem Grund sehen sich Architekt:innen mit der Herausforderung konfrontiert, herauszufinden, wie man ein modernes Büro gestaltet, das den sich ändernden Gewohnheiten der Erwerbstätigen gerecht wird.
Ein Trend lässt sich nicht übersehen: Arbeitnehmer:innen mögen keine Großraumbüros. Dieser Stil setzte sich gegen Ende der 1990er und in den 2000er Jahren durch, als Unternehmen mehr Mitarbeitende auf weniger Fläche unterbringen wollten, um so die Immobilienkosten zu senken. Das Konzept wurde einst als Möglichkeit zur Förderung von Teamgeist und kooperativer Arbeit angepriesen. Die Pandemie hat jedoch gezeigt, dass Arbeitnehmer:innen eher Ruhe und Privatsphäre bevorzugen, besonders wenn sie an Aufgaben mit hohem Konzentrationsbedarf arbeiten. Die Ablenkung war in Großraumbüros einfach zu groß für derartige Tätigkeiten. Jetzt versuchen Architekt:innen in Büros der neuen Generation, Bereiche für ruhiges Arbeiten anzubieten und gleichzeitig sicherzustellen, dass sie auch für Teamarbeit geeignet sind.
Dyer Brown & Associates, das Büros in Boston und Atlanta unterhält, berichtet, dass der Großteil seiner Kundschaft eine Art hybride Arbeitsumgebung bevorzugt. Das bedeutet, dass sich die Mitarbeitenden ein Büro wünschen, das für Aktivitäten und Aufgaben mit persönlicher Interaktion geeignet ist, während konzentrierte Arbeiten lieber im Homeoffice erledigt werden, so Ashley Dunn, Leiterin der Abteilung für Arbeitsplatzdesign.
„Dieses Konzept kann ganz unterschiedlich umgesetzt werden. So arbeitet vielleicht das gesamte Team mindestens einen Tag in der Woche im Büro oder vielleicht sind einige Mitarbeiter täglich vor Ort, während andere immer von Zuhause aus arbeiten. Aber unabhängig von der Konstellation findet ein Teil der Arbeitswoche immer noch Zuhause statt, was wiederum einen großen Einfluss auf die Gestaltung hat“, so Dunn.
Um eine Strategie für ein effektives hybrides Arbeitsplatzdesign zu entwickeln und das Design dann auch umzusetzen, bindet ihr Unternehmen den Kunden eng in den Prozess ein, so Dunn. In der ersten Phase geht es darum herauszufinden, welche spezifischen Tätigkeiten die Mitarbeitenden ausführen. Das kann sich von Unternehmen zu Unternehmen stark unterscheiden. Im Anschluss daran kann das Design auf die entsprechenden Bedürfnisse abgestimmt werden.
„Im Allgemeinen äußern Arbeitnehmer zwei scheinbar widersprüchliche Wünsche. Erstens wollen sie einen Ort, an dem sie effektiv arbeiten können, was oft, aber nicht immer, Ruhe und Privatsphäre bedeutet. Und zweitens möchten Angestellte auch mit anderen Menschen zusammen sein und interagieren“, führt sie weiter aus.
Letzteres kann je nach Kultur und Arbeitsabläufen bei der Gestaltung von Büroräumen Unterschiedliches bedeuten. In einem Technologieunternehmen zum Beispiel wollen sich die Mitarbeitenden im Büro auf ihre Arbeit konzentrieren und gleichzeitig Zeit finden, um mit anderen Teammitgliedern zu Mittag zu essen oder nach der Arbeit Zeit zu verbringen, so Dunn. In anderen Unternehmen hingegen ist vielleicht speziell die kollaborative Arbeit ein Grund, ins Büro zu kommen, z. B. für Teambesprechungen, Meetings und Präsentationen, während die fokussierte Arbeit im Homeoffice stattfindet.
In beiden Fällen, erläutert Dunn, macht eine Umgestaltung in eine vollständig auf private Büros ausgelegte Arbeitsumgebung wenig Sinn. Gleiches gilt aber auch für die Schaffung eines riesigen offenen Raumes mit vielen Arbeitsplätzen – insbesondere wenn die Gesamtzahl der Mitarbeiter:innen im Büro geringer ist, da einige im Homeoffice arbeiten. „Solche offenen Räume können ein postapokalyptisches Gefühl vermitteln, das mitunter genauso isolierend wie ein privates Büro ist“, meint Dunn.
Ein Nebeneffekt der Pandemie besteht darin, dass die meisten Wissensarbeiter:innen und auch deren Arbeitgeber:innen mehr Wahlmöglichkeiten haben. „Das Büro wird wahrscheinlich nie wieder voll oder überfüllt sein, natürlich mit Ausnahme von Partys oder Betriebsversammlungen“, meint Dunn. „Bevor Unternehmen ihre Arbeitsplätze umgestalten, sollten sie mit ihren Mitarbeitern sprechen und herausfinden, was sie zum Weg ins Büro motiviert. Auf dieser Basis kann dann ein neues Designkonzept entwickelt werden.“
Chad Byerly, Partner bei Baker Barrios Architects, glaubt nicht, dass das Konzept der Großraumbüros ausgedient hat, sondern dass es eher modifiziert werden wird. Für viele Branchen, so Byerly, sei dieses Gestaltungsprinzip nach wie vor attraktiv. Allerdings habe sich die Art und Weise der Raumnutzung verändert, da sich mit der Pandemie auch die Arbeitsweise vieler Menschen verändert habe.
Jobsharing und hybride Arbeitszeitmodelle haben das Konzept der gemeinsamen Nutzung von Schreibtischen oder nicht fest zugewiesenen Arbeitsplätzen attraktiver gemacht. Gleichzeitig legen Unternehmen immer mehr Wert darauf, in ihren Büros spezielle Bereiche für konzentriertes Arbeiten einzurichten, in denen Mitarbeiter:innen Privatsphäre und Ruhe finden. Auch Räume für Telefonate und Videokonferenzen – alleine oder als Gruppe – sind ein wichtiges Merkmal von einem ansonsten offenen Bürokonzept.
„Viele Branchen, die zu offenen Bürokonzepten übergegangen sind, wie z. B. Kreativagenturen, wollen bei der Neugestaltung ihrer Büroumgebung neue Bereiche einrichten, in denen sich die Mitarbeiter mit Entwürfen oder anderen Unterlagen ausbreiten können“, so Byerly.
Natürlich, meint Byerly, seien Technologien ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung von Büros. Dies gilt vor allem seit der Pandemie, in deren Verlauf sich immer mehr Tools für die virtuelle Zusammenarbeit durchgesetzt haben – unabhängig davon, ob ein Unternehmen für oder gegen das offene Konzept ist. Ein hohes Maß an Konnektivität zur Gewährleistung eines nahtlosen Zugangs zu Videokonferenzen und anderen Technologien für die digitale Zusammenarbeit sowie die geeigneten Räumlichkeiten zur Teilnahme an diesen Meetings sind ein Muss.
Nach zwei Jahren der Remote-Arbeit sehnen sich viele Mitarbeitende nach dem menschlichen Kontakt, den die Rückkehr ins Büro mit sich bringt. „Viele Arbeitgeber möchten diese positive Verbindung fördern. Und so wird auch dem Wow-Faktor von Designelementen und Ausstattungsmerkmalen höhere Priorität beigemessen“, fügt Byerly hinzu.
Toni Lewis, Leiterin von Lewis/Schoeplein Architects in Los Angeles, sagt, dass sich ihr Büro in den letzten zwei Jahren mit diesen Trends auseinandergesetzt hat. Die Firma wurde bereits von Kunden mit der Umgestaltung von Büros als Reaktion auf die Pandemie beauftragt und arbeitet mit einem anderen Unternehmen zusammen, das seine Räumlichkeiten aufgrund der sinkenden Mitarbeiterzahl im Büro verkleinern möchte.
Das Architekturbüro plant zurzeit außerdem zwei neue Büroprojekte: eines an der University of California in Los Angeles und ein weiteres für einen Kunden aus der Unterhaltungsbranche. „Beide werden auf offene Arbeitsplätze setzen, obwohl wir immer häufiger ein Interesse an mehr Flexibilität beobachten. Damit ist das Angebot verschiedener Variationen offener und geschlossener Räume gemeint, in denen die Mitarbeiter neben dem Homeoffice arbeiten können“, so Lewis.
Auch wenn die derzeitigen Veränderungen in den Büroumgebungen zyklischer Natur sein mögen, so Lewis, habe es schon vor der Pandemie bei einigen Arbeitnehmer:innen eine gewisse „Großraumbüro-Müdigkeit“ gegeben, da die Schreibtische kleiner wurden und Kopfhörer mit Geräuschreduzierung an die Stelle von Einzelbüros traten.
„Wir arbeiten mit einigen Herstellern von Möbeln und Akustiksystemen zusammen, die hervorragende vorgefertigte Lösungen anbieten. So kann der coole und hippe Flair des offenen Büros erhalten bleiben, aber denjenigen, die sich vor der Rückkehr zu einem völlig offenen Büro scheuen, mehr Privatsphäre geboten werden. Ich denke, dass es auf eine Art Kompromiss zwischen den beiden Varianten hinauslaufen wird. Denn für die meisten Unternehmen ist es aus Kosten- und Platzgründen nicht rentabel, zu einer Welt der vollständig geschlossenen Büros zurückzukehren“, so Lewis.